Die Schulterprothese
Bei vielen Patienten wird die Schulterprothese noch skeptisch gesehen
von
Bernd Schmitz
Chefarzt Orthopädische Chirurgie und Endoprothetik
Endoprothetik-Zentrum
Insgesamt verzeichnen wir in der orthopädischen Chirurgie und Endoprothetik einen Zuwachs in der prothetischen Versorgung der grossen Gelenke. Dieses liegt zum einen an dem demografischen Wandel unserer alternden Gesellschaft und an dem funktionellen Anspruch im höheren Alter. Die Schulterendoprothetik sorgt bei den betroffenen Patienten immer noch für mehr Skepsis als z.B. die Hüft- oder Kniegelenksprothesen. Schaut man sich den Funktionsgewinn und die verbesserte Lebensqualität durch die Schulterprothese an, dann ist diese Skepsis unbegründet.
Schulterprothesen werden in Deutschland im Bereich der großen Gelenke am dritthäufigsten nach den Hüft- und Kniegelenksprothesen eingesetzt. Der häufigste Grund zum Implantieren einer Hüft- oder Kniegelenksendoprothese ist der Gelenkverschleiß, also die Arthrose. Auch im Bereich des Schulterhauptgelenkes gibt es den Gelenkverschleiß. Hier nennt sich die Arthrose Omarthrose. Die primäre Omarthrose, bei welcher kein exakter Grund für die Entstehung identifiziert werden kann, findet ihre Ursache in einem Ungleichgewicht zwischen der ausgesetzten Belastung und der physiologischen Belastbarkeit der anatomischen Strukturen im Schultergelenksbereich. Männer sind schon ab dem 50. und Frauen ab dem 70. Lebensjahr vermehrt von der Omarthrose betroffen. In der Altersspanne von 50 bis 69 sind Männer 6x häufiger betroffen. Davon zu unterscheiden sind die sekundären Omarthrosen. Bei dieser Arthroseform kann ein genauer Grund identifiziert werden. Die häufigsten Gründe für eine sekundäre Arthrose sind traumatisch, entzündlich, metabolisch (z.B.Gicht), medikamentös (z.B. Cortison), dysplastisch (angeborene Fehlstellung der Schultergelenke) und Gefäßerkrankungen mit begleitender Durchblutungsstörung der knöchernen Strukturen.
Die Kardinalsymptome der Omarthrose sind Schmerzen und eine zunehmende Bewegungseinschränkung. Zunächst setzt der Schmerz erst nach deutlich belastenden Tätigkeiten der Schulter ein. Je mehr die Arthrose dann voran schreitet setzt mehr und mehr ein Ruhe- und auch Anlaufschmerz ein. Auch die Beweglichkeit nimmt immer mehr ab. Teilweise kommt es sogar zu einem „Reibegefühl“ im Schultergelenk. Begleitend kann das Schultergelenk aufgrund von Ergüssen anschwellen oder überwärmen.
Diagnostisch sollte zunächst in einem Gespräch erörtert werden, seit wann und bei welchen Tätigkeiten die Schulterbeschwerden einsetzen. Im weiteren folgt dann die Inspektion der Schulter. Die Hautbeschaffenheit sowie eine asymmetrische muskuläre Ausbildung sind zu inspizieren. Hiernach muss dann die Beweglichkeit und die Kraftentfaltung der Schulter untersucht werden. Wichtig hier ist auch der Unterschied zwischen passiver und aktiver Beweglichkeit. Im Rahmen der Bildgebung wird dann zunächst eine dynamische Ultraschalluntersuchung durchgeführt, um die Beschaffenheit der Oberarmkopf-umgreifenden Sehnen (Rotatorenmanschette) zu analysieren. Gefolgt wird diese Untersuchung von der Röntgendiagnostik der Schulter in mehreren Ebenen sowie einer Kernspinuntersuchung (MRT). In Einzelfällen kann noch eine Computertomographie (CT) oder eine Szintigraphie von Nöten sein.
Eine Operation wird erst dann durchgeführt, wenn die Lebensqualität der Patient*innen deutlich eingeschränkt ist im Sinne von regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme sowie ein signifikanter Funktionsverlust vorliegt. Bei der klassischen Omarthrose wird dann in der Regel eine anatomische Prothese eingesetzt. Einfach gesagt heißt das: Pfanne wird durch Pfanne und Kopf durch Kopf ersetzt. In der Nachbehandlung kann man bei diesem Prothesentyp schnell wieder in die aktive Funktion zurückkehren.
Ganz anders verhält es sich bei der inversen Schulterprothese. Wie der Name schon sagt ist dieser Prothesentyp „umgekehrt“, heißt: Kopf wird durch Pfanne und Pfanne durch Kopf ersetzt. Sinn und Zweck dieser besonderen Prothesenbiomechanik liegt darin, dass man das Drehzentrum der Schulter so verändert, dass der Schulterkappenmuskel (Deltamuskel) mehr Vorspannung erhält, um die Funktion der Rotatorenmanschette in Teilen zu ersetzen. Daher heißt diese Prothese auch Delta-Prothese. Bei der klassischen Arthrose kommt sie nicht zum Einsatz, sondern bei einer Sehnenproblematik der Rotatorenmanschette, welche den Oberarmkopf in Gänze umgibt und für die Kraftentfaltung der Schulter entscheidend ist, sowie bei deutlichen Fehlstellungen der Schultergelenkspfanne oder bei komplexen Oberarmkopfbrüchen. Auch die Nachbehandlung ist unterschiedlich. So wird die die inverse Schulterprothese zunächst 4-6 Wochen passiv beübt und dann erst aktiv.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Auswahl des richtigen Prothesentyps sehr wichtig ist für die Funktion des Armes und die Kraftentfaltung bei den Patient*innen. Im weiteren ist eine große operative Expertise in der Schulterprothetik sehr entscheidend für den Behandlungserfolg genauso wie die physiotherapeutische Nachbehandlung und Zusammenarbeit mit den Patient*innen. Aufgrund der schonenden OP-Technik und den modernen Implantaten ist die Schulterendoprothetik ein etabliertes Verfahren genau so wie bei der Hüft- und Kniegelenksendoprothetik mit gutem funktionellem Ergebnis.