Geschichte des Bonifatius-Hospitals

von Werner Franke zum 150-jährigen Bestehen im Jahre 2005 

Ein Krankenhaus wie das Bonifatius Hospital ist wie ein Organismus, einmal erdacht, ins Leben getreten und gewachsen. Über 140 Jahre lang haben in ihm Menschen ihre Aufgaben erfüllt, die darin bestehen, anderen zu helfen.

Damals im November 1853 hörte der Lingener Landdechant und Pfarrer von St. Bonifatius, Dr. Diepenbrock, vom geplanten Verkauf eines Hauses an der Kirchstraße in Lingen. Eigentümer war der Medicus, Dr. van Nees, und dem Dechanten schien es für ein Hospital oder eine Töchterschule geeignet und seinen Preis von 2700 Gulden wert. Gehandelt werden musste schnell. Diepenbrock zog die Kaufleute Grote, Bräckel und Hungelmann ins Vertrauen. Nicht umsonst war er 25 Jahre Lehrer am Gymnasium in Meppen gewesen, um nicht an eine höhere Schule zu denken. Doch auch eine barmherzige Anstalt war wohl schon in Betracht gezogen.

Diepenbrock kannte die Schwierigkeiten einer solchen Gründung. Er würde auf mildtätige Spenden angewiesen sein und Bettelbriefe schreiben müssen, um Schwestern für die Pflege würde er bitten müssen und manches Opfer auch selbst zu bringen haben. Wie er am 4. Adventssonntag auf die Kanzel stieg, den Plan der Gründung eines Hospitals bekanntzugeben und um milde Gaben zu bitten, da tat er dies im Bewusstsein, sich auf seine Gemeinde verlassen zu können. In die ausgelegte Spendenliste trug er sich selbst mit 120 Talern ein – übrigens die höchste gespendete Summe – und er erhielt schon in den nächsten Tagen reichen Zuspruch. Seine Vertrauten Bräckel, Hungelmann wie auch der Hofrat Dr. Hermes zeichneten hohe Beträge, am ersten Weihnachtstag kam nach dem Hochamt der Bürstenmacher Schmitz ins Pfarrhaus mit 25 Talern, am zweiten die arme Witwe Voss und ihre Töchter mit 12 guten Groschen. Es war nicht die Höhe der Spenden, die Mut machte, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, es war die Anteilnahme der Gemeinde, die Bereitschaft, Opfer zu bringen für ein gutes Werk.

Im Januar 1854 legte er ein Spendenbüchlein aus: ''All diejenigen Jungfrauen, welche noch keinen eigenen Herd zu besorgen haben, werden hierdurch freundlichst ersucht, für unser Krankenhaus ein kleines Scherflein aus Liebe zu Jesus Christus gütigst beizutragen.'' In gleicher Weise wandte er sich an die Jünglinge. Er schrieb Briefe an die Konfratres in den umliegenden Gemeinden, bot Lose aus einer Lotterie an, mit reellen Gewinnen, das Stück zu 4 guten Groschen, und unter dem 18. Mai 1854 findet sich ein Brief an holländische Konfratres mit dem Hinweis auf gemeinsame Geschichte in großen Notzeiten und der Bitte um Unterstützung – übrigens in flüssigem Latein geschrieben. Die Spenden kamen herein. Immer sind wir Menschen ja bereit, die Werke der Barmherzigkeit eher mit Geld zu fördern als sie selbst zu tun. Jedenfalls blieben Versuche, Schwestern durch Vermittlung des Herrn Generalvikars in Osnabrück zu erhalten, zunächst ohne Erfolg. Diepenbrock wandte sich in seiner Not an die würdige Mutter der Franziskanerinnen des alten Stiftes zu St. Mauritz in Münster, machte seine Bitte um Schwestern dringend und erhielt zur Antwort: Ich habe keine, aber für die Armen mache ich zwei frei. Sie trafen den 2. Februar 1855 mit der Post ein, schliefen auf Strohsäcken unter dem Dach und hatten trotz der Eiseskälte des Winters ''eine prächtige Zeit'' voll Arbeit in der ambulanten Krankenpflege und bei der Einrichtung des Hauses. Zehn Monate später schon schrieb das Münstersche Sonntagsblatt aus Lingen: ''Ein Krankenhaus, worin Schwestern christlicher Barmherzigkeit die körperliche Pflege der Kranken mit einer bewundernswerten Hingebung und ausgezeichneten Geschicklichkeit, die medizinische Behandlung der protestantische, allgemein in unserer Gegend verehrte Sanitätsrat Dr. von Hahn besorgen, besteht seit einem Jahr in Lingen. Der durch rastlose und christliche Tätigkeit ausgezeichnete Dechant Diepenbrock hat einen solchen Einfluß auf die Katholiken Lingens zu üben gewußt, daß ein großes, zweckmäßig eingerichtetes Haus mit einem Garten gewonnen ist, worin jetzt Kranke ohne allen Unterschied der Konfessionen den Segen der hingebenden christlichen Liebe empfinden.''

Die eine Aufgabe, die Voraussetzungen für Krankenpflege und Krankenhaus zu schaffen, schien nahezu erfüllt. Anders war es mit der rechtlichen Seite der Angelegenheit. Diepenbrock hatte selbstverständlich noch im Dezember 1853 dem bischöflichen Ordinariat sein Vorhaben angezeigt. Man nahm seinen Plan wohlwollend auf und erteilte Hinweise zur Rechtslage und zum Entwurf der Statuten. Man riet ihm auch Vorsicht gegenüber der Landdrostei in Osnabrück. Diepenbrock schrieb höflich, er habe keine Schulden mehr auf dem Grundstück und von einem Wohltäter noch ein Grundkapital von 500 Talern.

Dass die Dinge nicht ganz so einfach waren, wie dürre Zeilen und wenige Worte es heute wiedergeben können, spricht aus dem Satz, den er seinem Bischof schrieb: ''Die Anstrengung und Opfer aber, welche mir die Sache bis jetzt gekostet, werden mein Körper und mein Gemüt nicht leicht vergessen, so gerne ich auch manches vergessen möchte.'' Mit einiger Kühnheit legte er die von ihm verfssten Statuten der ''Königlich hohen Landdrostei zu Osnabrück in der Überzeugung vor, daß die hohe Regierungsbehörde dies hochgefällig aufnehmen werde.''

Alsbald erhielt er Nachricht, die Statuten kamen völlig abgeändert zurück. Beim Lesen der Bemerkungen der Königlichen Landdrostei mag Diepenbrock die Stirn gerunzelt haben.

Die Statuten enthielten einige Bestimmungen, die die Sache ins Gegenteil verkehrten. Diepenbrock wollte ein von behördlicher Bevormundung freies Institut. Hier sann man ihm an, dem jeweiligen Beamten des Amtes Lingen und dem Vorsitzenden des Magistrats Sitz und Stimme im Vorstand einzuräumen. So nicht! Nicht mit ihm und seinem barmherzigen Hause! Zu deutlich noch sah er die Wechselfälle Lingens politischer Geschichte, hatten nicht Spanier, Oranier, die Münsterischen und Preußen und nun wieder die Hannöverschen immer neue Wechselbäder verordnet? Erlebte er nicht schon wieder – und er sollte es noch manches Mal wiedererleben – wie kleinlich Behörden den Werken der Barmherzigkeit im Wege stehen konnten? Er berichtete erneut, höflich, klug, legte neue Statuten vor – im Kern blieb er beim Alten. Das Haus sollte frei bleiben von obrigkeitlichem Einfluss, so gut es nur ging. Er, der Freiwillige der Freiheitskriege, Erzieher, Historiker, Priester, schrieb im Januar 1859 an den Bischof zu Osnabrück: Unser Krankenhaus hat Gott sei Dank! bis jetzt noch keine Statuten und so ist dasselbe an vielen Klippen glücklich vorbeigekommen. Mehrmals habe er sie der Behörde in Osnabrück vorgelegt und zurückerhalten. Seitdem habe er sie ad acta gelegt und werde sie nie wieder dieser Behörde zur Genehmigung weiterleiten. Als ahnte er schon, was der Kulturkampf Bismarcks alles an Kleinlichkeiten bescheren könnte, blieb er in diesem Punkte beharrlich, auch wenn die Königliche Landdrostei schrieb, es bestehe nicht die Absicht, der Oberaufsicht eine Bedeutung zu geben, welche der Leitung der Anstalt in dem frommen Sinne Eintracht tun würde, aus dem sie hervorgegangen.

20 Jahre später würde die Regierung zu Osnabrück, inzwischen preußisch geworden, wegen der Meldung des Zuzugs von Ordensschwestern die Erwartung aussprechen, dass gemäß der höherenorts erstellten Vorschrift – Circular vom 9.Mai 1877 – bei künftigen ''Dislokationsanträgen'' die Bedürfnisfrage jedesmal durch die Lokalbehörde sorgfältig geprüft und in dem zu erstattenden Bericht begutachtet werde und ob überhaupt die Aufnahme neuer Mitglieder für die Krankenpflege erforderlich sei.

Was schließlich in den 30er Jahren des nächsten Jahrhunderts geschehen konnte, hat Diepenbrock wohl nicht vorausgesehen. Immerhin wurden seine Verdienste trotz allem von König Georg VI. durch die Verleihung des Welfenordens anerkannt. Und erst 1889 wurden die Statuten genehmigt, mit denen das Krankenhaus nun schon 45 Jahre wirkte. Das Krankenhaus selbst litt unter dem Mangel genehmigter Statuten bis dahin nicht.

42 Kranke waren 1855 aufgenommen, im nächsten Jahr waren es schon 150, die Zahl der Pflegetage stieg beständig, die Zahl der Ordensschwestern ebenfalls, 1875 waren es sechs, die 30 Krankenbetten zu betreuen hatten. Lingens Einwohnerzahl hatte sich in diesen 25 Jahren von 2700 auf rund 5500 verdoppelt. Was übrigens die vom Krankenhaus ausgehende ambulante Krankenpflege angeht, war Diepenbrock seiner Zeit weit voraus. Doch sein Plan, für das ganze Dekanat mit 15 Pfarreien diese Aufgabe zu erfüllen, wird vom Mutterhaus in Münster 1855 abgelehnt: Für Lingen haben sie Schwestern geschickt!

Die Finanzen, vom Vorstand säuberlich aufgezeichnet, konsolidierten sich alsbald durch Spenden, Testamente, Zuwendungen. Dem Dechanten war vergönnt, bis zum Alter von 88 Jahren für den Herrn zu wirken. Längst konnte er die früher eigenhändig geführten Bücher des Krankenhauses abgeben, dort wirkte als Oberin seit 1872 bis zu ihrem Tode 1907 Schwester Antonie, dort war ein junger Freund des Dechanten, seine Stütze sozusagen, ein junger Bauunternehmer, der allgemein Lühn's Gertken hieß. Eine besondere Ehrung wurde Diepenbrock durch die eigenhändige Verleihung des Roten Adlerordens durch Kaiser Wilhelm I zuteil, ein Zeichen des Dankes wohl auch dafür, dass das Bonifatius-Hospital in den Kriegsjahren 1870/71 als Teillazarett Husaren und Ulanen gepflegt hatte. Das Bild Diepenbrocks wird keineswegs dadurch geschmälert, dass ein Neubau, der längst fällig war, erst in den Jahren 1889/91 ausgeführt wurde. Auch seine Nachfolger hatten die ihnen von ihrer Zeit gestellten Aufgaben zu lösen. Pfarrer Pohlmann, indem er 1889 den ersten Neubau, Pfarrer Schleyermann, indem er 1910 und 1913 die Erweiterung auf 108 Betten vornahm, Dechant Hilling schließlich, der für 120 und später für 180 Betten Vorsorge traf.

Dieser Dechant Hilling übrigens hatte wie der Gründer des Hauses größte Geldsorgen, als in den Nachkriegsjahren 1923 bei sprunghaft steigenden Preisen große Verluste entstanden und er sich mit der Bitte um Hilfe an den Magistrat und den Kreisausschuß wenden mußte.

Ansonsten hat, und das galt bis in die späten 60er Jahre unseres Jahrhunderts, das Krankenhaus finanzielle Hilfe von Stadt und Landkreis nicht in Anspruch genommen.

Die bitteren Jahre des 2. Weltkrieges, das Krankenhaus diente wieder einmal als Lazarett, schienen die Bauten unbeschädigt überstehen zu sollen, als rund 20 Granattreffer noch in den letzten Tagen das Dach schwer beschädigten.

Von den Vorstehern des Kuratoriums war bisher die Rede, von den Schwestern und manchen Ereignissen. Aber auch der Ärzte mag gedacht werden, des Nachfolgers des Dr. von Hahn, des Kreisphysicus Dr. zum Sande, der in seinem Testament dem Krankenhaus die Summe von 20000 Goldmark vermachte. Nicht alle können aufgeführt werden, die am Haus tätig waren. Manchem Lingener werden einige Namen noch in Erinnerung sein, wie der des Dr. Bäumker, Dr. Gernerus, Dr. Beckmann und des Dr. Bergmann, der auch das Teillazarett mit seinen 50 Betten während des zweiten Weltkrieges versorgte.

Manches Abenteuer aus den letzten Wochen des Krieges und den ersten Nachkriegsmonaten wäre zu berichten, von Versorgungs- und Bettelfahrten zu erzählen, die Schwester Oberin zusammen mit dem Verwaltungsleiter Franz Lindhaus unternahm, um Lebensmittel heranzuschaffen für die Kranken. In den folgenden Jahren wurde der Bedarf an Kartoffeln gedeckt durch ''Kartoffelkollekten'', die alljährlich im Herbst sogleich nach der Ernte stattfanden, ein Brauch, der sich bis in die 60er Jahre hielt. Diese Nachkriegsjahre, Pfarrer Stefan Vosse war Vorsteher des Kuratoriums geworden, ließen den Bettenbedarf mehr und mehr ansteigen.

Der sprunghafte Bevölkerungsanstieg im Emsland durch den Zuzug Vertriebener, die Heimkehr vieler Soldaten, die zunehmende Zahl der Entbindungen im Bonifatius-Hospital und manche längst zurückgestellte Planung forderten nun eine Verbesserung der Verhältnisse. Mit Hilfe des Landes Niedersachsen wurde die Bettenzahl 1952 auf 215 erweitert. Mit der Erhöhung der Bettenzahl auf rd. 400 Betten im Jahre 1959 glaubte man, nun auf lange Jahre ausgesorgt zu haben. Nur eine Krankenpflegeschule war noch zu errichten. 1961 stand sie zur Aufnahme von 60 Schwesternschülerinnen bereit, 7 Jahre später erhielt das Schul- und Wohnheim ein weiteres Geschoß für die 30 Plätze einer neu errichteten Kinderkrankenpflegeschule. Der Notwendigkeit, in dringenden Notfällen Kranke durch einen Hubschrauber transportieren zu lassen, wurde 1964 Rechnung getragen durch die Anlage eines Landeplatzes, für den der Landkreis als für den Krankentransport zuständige Behörde das Grundstück stellte.

Was niemand so recht glauben möchte, zeigte sich wenige Jahre später, als mit der starken gewerblichen - industriell beeinflußten Entwicklung des Landkreises Lingen, aber auch verursacht durch die Fortschritte der medizinischen Technik, ein weiterer Schritt getan werden mußte, eine Übergangslösung gewiß, aber immerhin wieder ein wichtiger Bauabschnitt. Diesmal waren es die Laborräume, die Röntgenabteilung, die Bäderabteilung und Operationsräume, schließlich eine Intensivstation mit Dialyseabteilung, all das in einem Baukörper, der einer großen Lösung nicht im Wege stehen sollte - wenn sie an dieser Stelle denn doch einmal vorzusehen war. Dies war schon die Preisfrage der 30er Jahre gewesen, nach dem Kriege erneut gestellt und verworfen und bei jedem Bauabschnitt wieder und wieder diskutiert: Kann das Bonifatius-Hospital an dieser Stelle bleiben - oder ist es ''draußen vor der Stadt'' und ''auf der grünen Wiese'' in einer völlig neuen Konzeption und unter Aufgabe aller bisheriger Gebäude neu zu errichten? Gutachter wurden bemüht, sie kamen im Jahre 1974 zu dem Schluß, das Bonifatius-Hospital könne an diesem Standort weiter entwickelt werden und stelle hier auch einen positiven Beitrag für die Entwicklung des Stadtbildes und den Kern der Stadt dar. Erneut waren Grundstücke anzukaufen, Stadt und Landkreis halfen dabei, geplant werden mußte eine Gesamtkonzeption, welche auch die Möglichkeiten der Aufgaben der älteren Bauabschnitte beinhalten sollte. Dem medizinisch-technischen Fortschritt mußte sie Rechnung tragen und dem noch unbekannten Bedarf kommender Jahrzehnte angepaßt werden können, aber auch neuen und noch unbekannten Forderungen dürfe möglichst nichts in den Weg gestellt werden.

Es sollten mit diesen Überlegungen und Planungen sieben Jahre vergehen, bis im Frühjahr 1982 der Neubau bezogen werden konnte. So wurde aus der ''barmherzigen Anstalt'' Diepenbrocks eine moderne Klinik. Ist das Bonifatius-Hospital erst damit endlich eine ''moderne Klinik'' geworden? Oder war es dies nicht von Anfang an und immer durch die über 140 Jahre? Es mag moderne Mittel geben, einen Auftrag zu erfüllen, der Tag für Tag aktuell ist, modern mag man ihn nennen, unwandelbar ist er alltäglich gegenwärtig:

DEM NÄCHSTEN ZU DIENEN, DEM MITMENSCHEN ZU HELFEN, IN DER HILFSBEDÜRFTIGKEIT SEINES LEIBES, IN DER NOT SEINER SEELE.

 

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