02.11.2020

Immuntherapie bei Krebs: eine wahrlich sagenhafte Geschichte

von

Ltd. Oberärztin Dr. Karen Rußwurm, Chefarzt Dr. Georg Rußwurm
Klinik für Hämatologie & internistische Onkologie, Bonifatius Hospital Lingen

Die Geschichte der Immuntherapie ist eine Erfolgsgeschichte und wahrlich sagenhaft. Es wimmelt nur so von Fabelwesen, Trojanischen Pferden und Tarnkappen. Erinnern Sie sich an Alberich? Nein, nicht die charmante Assistentin von Prof. Börner aus dem Münsteraner Tatort, sondern aus dem Niebelungenlied. Alberich hütete den Nieblungenschatz mit Hilfe einer Tarnkappe. Ganz ähnlich agieren Tumore im Körper. Sie gaukeln dem Immunsystem vor ganz normal zu sein und tarnen sich so vor dem tödlichen Angriff unseres Immunsystems. Erst dieser Trick ermöglicht es dem Tumor überhaupt zu wachsen. Mit Hilfe eines neuen Therapieansatzes können wir dem Tumor nun seine Tarnkappe wegziehen und den Gegner für unser Immunsystem sichtbar machen. Hierfür macht man sich ein verändertes, körpereignes Eiweiß, einen „Antikörper“, zunutze, der direkt in das Gespräch zwischen den Immunzellen eingreift.

Erstmals zugelassen wurde diese spezielle Form der Immuntherapie beim schwarzen Hautkrebs, kommt mittlerweile aber auch bei vielen anderen Tumoren wie zum Beispiel dem Blasenkrebs, Lungenkrebs, Nierenkrebs oder auch einer bestimmten Blutkrebs-Variante (Morbus Hodgkin) zum Einsatz. Eine Herausforderung dieser neuen Therapieform sind allerdings die Nebenwirkungen. Den Trick mit der Tarnkappe hat der Tumor quasi von den normalen Körperzellen geerbt. Im ungünstigsten Fall greift unser Immunsystem nun auch gesundes Gewebe im Körper an (Autoimmunreaktion). Meistens kommt es nur zu einer milden Reaktion, in Einzelfällen, bei erheblichen Nebenwirkungen, ist aber sogar der Einsatz von Immunsupressiva (Kortison) nötig. Dann müssen Patienten rasch ihren Onkologen informieren, und es hängt von seiner Erfahrung ab, den richtigen Mittelweg zwischen Gas und Bremse für das Immunsystem zu finden.

Aber auch wenn diese neue Therapieform nebenwirkungsärmer ist als die klassische Chemotherapie, ersetzt sie diese nicht. Im Gegenteil, sie wird mittlerweile oft auch in Kombination mit einer Chemotherapie gegeben und wirkt dann sogar besonders gut. Eigentlich ist die Therapie mit Antikörpern aber schon viel älter. Der erste Antikörper wurde 1998 zur Behandlung von bestimmten Formen des Blutkrebses zugelassen. Dieser Antikörper ist ein Fabelwesen, aber nicht wie ein Zentaur aus Mensch und Pferd, sondern aus Mensch und Maus! Um das zu verstehen, muss man zunächst wissen, wie ein Antikörper funktioniert. Hierfür sucht man sich ein Schlüsselloch, dass vorwiegend auf der Tumorzelle sitzt und baut sich einen Schlüssel dafür. Da das viel einfacher in einer Maus geht, nimmt man den Schlüsselbart von der Maus und setzt ihn auf genetischem Weg an einen Schlüsselrohling vom Menschen. Mit diesem Schlüssel kann man jetzt die Tumorzelle einfach ausschalten. Diese Antikörper finden Anwendung zum Beispiel beim Darmkrebs oder auch bei speziellen Arten des Blutkrebses. Nebenwirkungen sind hier vor allem Allergien. Dies ist der Grund, warum man sich die Mühe gemacht, hat eine „Chimäre“ zu bauen. Je näher das Eiweiß am menschlichen Original ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit für eine Allergie.

Wenn das nicht mehr hilft, hilft manchmal noch ein „Trojanisches Pferd“. Wie geht das? Man baut eine „kleine Bombe“ an den Schlüsselrohling dran. Die Tumorzelle erkennt den Schlüssel, saugt ihn in sich hinein und nimmt das Gift mit auf, das an dem Schlüssel gekoppelt ist. Dieses Prinzip hilft manchmal z.B. bei besonders aggressiven Blutkrebserkrankungen. Man sieht, eine wahrlich sagenhafte Geschichte, und noch nicht zu Ende!

 

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