22.10.2014

Kicken im Zeichen des Kreuzes

Vom Landtag ins Bonifatius Hospital: Wanderausstellung „Kicker, Kult & Co.“ zum Fußballalltag vor Bundesliga – Schirmherr ist Stefan Wessels

Lingen. Er stammt aus Lingen, war Messdiener und spielte nicht nur bei Bayern München und dem 1. FC Köln, sondern auch beim FC Everton in England, dem FC Basel sowie Oedense BK. Derzeit zieren das Foto des Ex-Torhüters Stefan Wessels 15 Schautafeln der Wanderausstellung „Kicker, Kult & Co.“, die das Diözesanmuseum Osnabrück derzeit im Bonifatius Hospital in Lingen präsentiert. Zuvor war sie bereits im Niedersächsischen Landtag in Hannover zu sehen.

Urszula Ornat und Direktor Dr. Hermann Queckenstedt vom Diözesanmuseum Osnabrück eröffneten zusammen mit dem Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Dr. Gerald Kolb, Geschäftsführer Ansgar Veer und Chefarzt PD Dr. Walter Höltermann die Ausstellung Kicker, Kult und Co., die bis Ende des Jahres im Bonifatius Hospital zu sehen ist.

Dabei geht es um das Themenfeld „Fußball und Kirche“ als einer Verbindung, die vor 100 Jahren noch umstritten war: Das Diözesanmuseum Osnabrück spürt der frühen Geschichte dieser Sportart nach und nahm dabei auch den Beitrag der Deutschen Jugendkraft (DJK) als katholischer Sportbewegung in den Blick.

Einerseits hatten viele englische Spitzenklubs Wurzeln in Kirchengemeinden: so der FC Liverpool und der FC Everton, Manchester City, die Tottenham Hotspurs, Aston Villa, die Queens Park Rangers oder die Bolton Wanderers. Andererseits entspann sich in Deutschland eine innerkirchliche Diskussion, inwieweit Sport an Sonntagen überhaupt zulässig sei. Zu den Fußballgegnern gehörte auch Kaplan Hubert Dewald, der Präses der Jünglingssodalität der Dortmunder Dreifaltigkeitskirche, von deren Mitgliedern viele dem sonntäglichen Kick entgegen fieberten. Der Kaplan betrachtete solches Treiben indes als „rohes“ Spiel in einem zweifelhaften „kulturellen Umfeld“, das mit der Messfeier am Sonntagmorgen und vor allem mit der Christenlehre am Nachmittag zu kollidieren drohte.

Ob solcher Vorbehalte frustriert, gründete ein gutes Dutzend katholischer Fußballenthusiasten aus der Jünglingssodalität im Streit mit Dewald den Ballspielverein (BVB) Borussia 09. Der Deutsche Meister der Saison 2011/12 hätte unter anderen Vorzeichen also durchaus eine Sportabteilung der Kirchengemeinde werden können.

Auch im Emsland, in der Grafschaft Bentheim, in Osnabrück sowie im Osnabrücker Land entdeckten junge Männer ihre Leidenschaft für den Fußball und andere Sportarten. Glücklicherweise stießen sie in den meisten Kirchengemeinden auf Seelsorger, die den neumodischen Sport als Chance begriffen. So blieb Pfarrer Dr. Engelbert Bucholtz in Osnabrück-Eversburg vor allem wegen seiner außergewöhnlichen Jugendarbeit in Erinnerung, zu der das Schwimmen im katholischen Kanalbad, das Paddeln in Pastors Kanus, das Turnen an eigens angeschafften Geräten in einer zum Jugendheim umfunktionierten Kapelle sowie Fußball und Leichathletik auf der nahen Eversheide gehörten.

Im Bistum Osnabrück und insbesondere im Emsland etablierten sich seit dem zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in vielen Kirchengemeinden sportliche Aktivitäten, die aufs engste mit den Jünglings-, Gesellen- und Arbeitervereinen verbunden waren. Parallel entwickelte sich eine sportpolitische Diskussion der Katholiken auf Reichsebene, die 1920 zur Gründung der Deutschen Jugendkraft (DJK) als Dachverband des Sports führte. Damit hatte die Kirche - der Deutsche Fußball-Bund war zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre alt - eine Struktur geschaffen, die einen katholischen Wettkampf- und Ligabetrieb ermöglichte.

Auf dem Lande waren es vorrangig jüngere Pfarrer oder Kapläne und vor allem sportbegeisterte Lehrer, die die DJK-Vereine oder DJK-Abteilungen der sogenannten Stammvereine aus der Taufe hoben. Die neuen Sportgemeinschaften konkurrierten dabei mit den im DFB organisierten Vereinen, wobei sich weltanschaulich-religiös geprägter Sport auch im Arbeitermilieu, im evangelischen Sportverband Eichenkreuz sowie in der teils zionistisch, teils integrativ ausgerichteten jüdischen Sportbewegung entwickelte. Im nördlichen Emsland hatte die DJK bis auf zwei Ausnahmen gar eine Alleinstellung. Hier monierte der Fußballbund, dass katholische Fußballteams auch evangelische und jüdische Mitspieler integrierten, wenn diese im regionalen Umfeld keine sportlichen Alternativen hatten.

Verpönt waren dagegen Kontakte oder Verbindungen zu den weltanschaulich ausgerichteten Arbeitersportlern sowie zu den rechtsgerichteten Jugendverbänden. 1932 beschwerte sich Heinrich Steffens aus Dankern bei Haren als Bezirksorganisator des „Stahlhelm“ für die Kreise Aschendorf, Hümmling und Meppen, dass der Katholische Jungmännerverband des Bezirks Hümmling keine Kicker der rechtsnationalen Gruppierung in seinen Reihen duldete. Juden hingegen könnten in der DJK nicht nur Sport treiben, sondern würden gar als Schiedsrichter eingesetzt.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete die Angebotsvielfalt im deutschen Sport. Dieser sollte auf die sportlichen Fachverbände wie den DFB ausgerichtet werden, um ihn so besser kontrollieren zu können. So kam das Aus für die Arbeitersportler bereits 1933, die Deutsche Jugendkraft folgte im Jahr darauf. Im Bistum Osnabrück boten sich den DJK-Vereinen vier Reaktionsmuster: Entweder fusionierten sie miteinander und gründeten einen eingetragenen Verein, der sich – teils unter Beobachtung der Polizei – weiterhin an christlichen Werten orientierte, sportlich jedoch in die Fachverbände integrierte. Die Fusion mit allgemeinen Sportvereinen verwischte dagegen das katholische Profil. Schließlich trieben einige DJK-Abteilungen weiterhin Sport, ohne am Liga- und Wettkampfgeschehen teilzunehmen oder beendeten sämtliche sportlichen Aktivitäten. Nach dem zweiten Weltkrieg kehrten viele ehemalige DJK-Vereine nicht wieder unter das Dach der katholischen Sportbewegung zurück.

Autor: Dr. Hermann Queckenstedt, Museumsdirektor vom Diözesanmuseum Osnabrück

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