11.12.2023

Knorpelverletzungen können unbehandelt zum vorzeitigen Gelenkverschleiß (Arthrose) führen

von Martijn Hofman, MD PhD
Chefarzt der Unfallchirurgie und Leiter des Zentrum für Muskuloskelettale Chirurgie (ZMC) Bonifatius Hospital Lingen

Gelenkbeschwerden können viele Ursachen haben und eine davon sind lokalisierte Knorpelverletzungen. Im Gegensatz zur Arthrose (Gelenkverschleiß), bei der der gesamte Knorpelbelag eines Gelenkes ausgedünnt ist, handelt es sich hierbei um isolierte Knorpelverletzungen. Diese Verletzungen treten nach Sportunfällen, Verkehrsunfällen, aber auch nach einfachen Verdrehungen im Gelenk auf. Am häufigsten sieht man diese Knorpelverletzungen im Kniegelenk, obwohl auch alle anderen Gelenke betroffen sein können.

Beschwerden

Weil direkt im Knorpelgewebe keine Blutgefäße oder Nerven vorhanden sind, gehen Knorpelverletzungen nicht immer mit Schmerzen oder Funktionseinschränkungen einher. Ein durch die Verletzung ausgelöster entzündlicher Prozess kann aber zu Beschwerden wie Schwellung des Gelenkes und Schmerzen im Gelenk führen. Auch können losgelöste Knorpelanteile im Gelenk einklemmen und die Bewegung blockieren.

Diagnose

Sehr wichtig für die Diagnosestellung ist das Gespräch mit dem Arzt und die körperliche, ärztliche Untersuchung. Hierdurch können Hinweise auf die mögliche Ursache der Beschwerden, sowie Knorpelverletzungen, Begleitverletzungen oder zusätzliche Fehlstellungen erhoben werden. Zusätzlich können Röntgenaufnahmen des Gelenkes und Ganzbein-Röntgenaufnahmen zur Achsbestimmung durchgeführt werden, auf denen man Gelenkfehlstellungen und degenerative Veränderungen feststellen kann. Für die sichere Erkennung von Knorpelschäden hat sich in den letzten Jahren die Kernspintomographie bewährt, da hierdurch auch kleinere Knorpelverletzungen dargestellt werden können. Außerdem eignet sich die Kernspintomographie sehr gut für die Darstellung von Weichteilverletzungen im Gelenk, sowie z.B. von Bandrupturen und Meniskusrissen.

Behandlung

Wenn die Knorpelverletzungen von geringer Tiefe sind und keine Beschwerden hervorrufen, können diese unter Umständen auch konservativ behandelt werden. Es gibt Patienten, die Knorpelschäden erlitten haben, ohne dass sie diese bemerken. Allerdings werden asymptomatische Knorpelverletzungen im Laufe der Zeit oft symptomatisch, sodass dann gegebenenfalls doch eine Therapie eingeleitet werden muss. Die schwerwiegendste Folge von Knorpelverletzungen, der mit einer Therapie vorgebeugt werden soll, ist das Entstehen von Gelenkverschleiß. Denn die lokalisierte Knorpelverletzung ist ein Vorstadium vom Gelenkverschleiß. In Abhängigkeit von der Ausdehnung der Knorpelverletzung sowie der individuellen Risikofaktoren des Patienten wie Gewicht, Aktivitätsniveau, Begleitverletzungen und der Zeitdauer des Vorliegens der Verletzung wird sich eine Arthrose früher oder später entwickeln können. Deshalb ist bei einer vollschichtigen Knorpelverletzung mit bestehenden Beschwerden eine operative Knorpeltherapie mit gegebenenfalls zusätzlicher Behandlung der Begleitprobleme (z.B. Bandinstabilitäten, Meniskusschädigungen oder Achsfehlstellungen) zügig durchzuführen. Die Operationen am Gelenkknorpel können in der Regel arthroskopisch (eine Art Schlüsselloch-Operation mit einer Kamera über kleine Hautzugänge) durchgeführt werden. Die zurzeit etablierten Operationsverfahren kann man unterteilen in Knochenmarkstimulierende Techniken und Knorpeltransplantationsverfahren. In Abhängigkeit von Größe und Art des Defekts stehen verschiedene Operationsmethoden zur Verfügung.

Knochenmarkstimulierende Techniken

Eine Knochenmarkstimulierende Technik ist die „Mikro- und Nanofrakturierung“ (ggf. mit Verwendung einer Membran aus Biomaterial). Dabei wird zuerst die Stelle des verletzten Knorpels von geschädigten und instabilen Knorpelanteilen gesäubert. Danach wird mittels dünner Bohrdrähte oder eines dünnen Meißels der unterliegende Knochen eröffnet, umso eine Einblutung aus dem Knochenmark in Gang zu bringen. Aus dem daraus entstehenden Blutkoagel bildet sich narbenartiger Knorpel, der aber nicht die vollständige Belastbarkeit des normalen Knorpels erreicht, aber bei eher kleineren Defekten (bis ca. 2cm2) gute Resultate erzielt. Wenn man zusätzlich den Defekt mittels einer Membran aus Biomaterial abdeckt, kann man auch größere Defekte (bis ca. 4cm2) damit therapieren, aber eine Überlegenheit ggü. den anderen Verfahren gibt es zurzeit nicht.

Knorpeltransplantationsverfahren

Bei den Knorpeltransplantationsverfahren unterscheidet man drei Verfahren. Die „Patienteneigene Knorpel-Knochenzylinder Transplantation“ eignet sich für Defekte bis ca. 1cm2. Bei dieser Methode wird aus der Defektzone ein Knorpel-Knochenzylinder entnommen und ein aus einem wenig belasteten Gelenkbereich entnommener gesunder Knorpel-Knochenzylinder in der Defektzone eingestanzt. Großer Vorteil ist dabei, dass der Zylinder in den Knochen eingebracht wird und dadurch meistens sehr gut einheilt. Hierdurch entsteht in der Regel eine stabile Defektabdeckung mit gutem Knorpelbelag.

Seit ungefähr 30 Jahren hat sich die „Patienteneigene Knorpelzelltransplantation“, mittlerweile in der vierten Generation, etabliert. Bei dieser Methode werden in einer ersten Operation Knorpelzellen aus dem verletzten Gelenk entnommen, die dann über ca. 4 bis 6 Wochen weiter gezüchtet werden. In einer zweiten Operation werden die patienteneigenen Knorpelzellen, entweder in einem Trägermaterial oder als Knorpelzellkügelchen, in den Defekt implantiert. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass immer zwei Operationen notwendig sind. Dahingegen erreicht diese Methode die beste Knorpelqualität und die besten Ergebnisse, auch im Vergleich zu den anderen Methoden. Außerdem ist dieser Methode zugelassen für größere Defekte über 2 cm2.

Ein relativ neues Verfahren für kleine bis mittelgroße Knorpelverletzungen (ca. 1 bis 4,5cm2) ist die ´minced cartilage´-Methode. Dabei werden Knorpelteile aus der Defektzone entnommen, zerkleinert, mit patienteneigenem Blutplasma vermischt und in der gleichen Operation reimplantiert. Der Vorteil ist, dass die Knorpelzelltransplantation in einer Operation durchgeführt werden kann und dass der Knorpel aus der Defektregion entnommen wird. Für dieses Verfahren gibt es bislang für einen zweijährigen Nachuntersuchungszeitraum vielversprechende Ergebnisse, allerdings noch keine Langzeit-Ergebnisse, sodass zurzeit die patienteneigene Knorpelzelltransplantation noch als der ´Goldene Standard´ angesehen wird.

Nachbehandlung

Die Knorpel(ein)heilung verläuft in verschiedenen Phasen ab. Die Nachbehandlung ist für jeden Patienten individuell angepasst, abhängig von Größe und Lokalisation des Defekts, vom angewandten Operationsverfahren, von den Begleitverletzungen und von patientenspezifischen Faktoren (z.B. Gewicht, Alter, Aktivitätsniveau). In den ersten Wochen findet in der Regel eine Teilbelastung statt und eine Mobilisation des Gelenkes in eingeschränktem Ausmaß. Danach wird ein stufenweiser Belastungs- und Bewegungsaufbau stattfinden, ergänzt durch Koordinationstraining. Eine Rückkehr in die sportliche Aktivität rundet die Rehabilitation meistens erst nach ca. 6 bis 9 Monaten ab.

 

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