21.11.2021

Migräne bei Kindern und Jugendlichen

...oder was erlebte Alice im Wunderland?

 

von Dr. Ruth Lehbrink

90% aller Jugendlichen kennen Kopfschmerzen in unterschiedlicher Ausprägung, im Vorschulalter treten bereits bei 20% aller Kinder gelegentliche Kopfschmerzen auf. Häufig handelt es sich um Spannungskopfschmerzen, eine Migräne hat jedes 10. Kind. Glücklicherweise kann die von den Familien häufig geäußerte Sorge um eine zugrunde liegende Tumorerkrankung oft schon mittels einer gewissenhaften Anamnese und neurologischen Untersuchung verringert werden, ggf. werden zusätzliche funktionelle und bildgebende Untersuchungen ergänzt.

Neben den sehr häufigen, dumpfen Spannungskopfschmerzen und den seltenen trigeminalen Kopfschmerzen zeigt die meist chronisch verlaufende Migräne eine recht typische Symptomatik. Anfallsartig treten einheitliche Beschwerdemuster auf: starke ein-, manchmal auch beidseitige Kopfschmerzen mit pulsierendem Charakter, begleitende Licht- und Lärmempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Ca. 10% der Betroffen erleben vor den Schmerzen eine Aura - Vorboten in Form vollständig reversibler neurologischer Symptome. Über Minuten bis weniger als eine Stunde bestehen Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfall – häufig ein zackiger, flimmernder Halbkreis, der sich von der Peripherie größer werdend ausbreitet –, aber auch Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen können auftreten. Manchmal gehen einem Anfall Stunden bis Tage vorher unspezifische Verhaltens- und Beschwerdemuster wie Gereiztheit oder Hochstimmung, Müdigkeit oder Tatendrang, Appetitlosigkeit oder Heißhunger voraus, die häufig unerkannt bleiben.

Im frühen Kindesalter kann sich eine Migräne auch ohne Kopfschmerzen – als periodisch auftretende Bauchschmerzen, Erbrechen oder Schwindel – äußern. Eine besondere Symptomatik wird als „Alice-im-Wunderland-Syndrom“ dem Formenkreis der Migräne zugeordnet: der Patient nimmt vorübergehend seine Umwelt oder sich selbst größenverzerrt oder verändert war, ähnlich wie Alice hinter den Spiegeln.

Die Ursache der Migräne-Attacken liegt in einer gestörten Reizreaktion und Kommunikation zwischen Nervenzellen des Hirnstamms und denen an der Hirnoberfläche, die Veränderungen der Durchblutung und ausstrahlende, wandernde (lateinisch migrare) Symptome bewirken. Botenstoffe wie Serotonin spielen eine wichtige Rolle. Dessen Konzentration verändert sich im Laufe des Lebens und in Abhängigkeit des Menstruationszyklus. Dementsprechend erleben viele Betroffene ihren ersten Migräne-Anfall während der Pubertät, bei Frauen kommt es häufiger zur Zyklusmitte oder -ende zu Migräne-Episoden.

Während einer Attacke ziehen sich die Betroffenen meist zurück, suchen Ruhe und Schlaf. Die Reizabschirmung hilft ebenso wie kühlende Auflagen oder ätherische Öle an Stirn und Nacken. Schmerzmedikamente wie Ibuprofen und Paracetamol sollten – wenn erforderlich – an das Körpergewicht angepasst ausreichend hoch dosiert werden. Schmelztabletten und Zäpfchen wirken ohne Passage des Magens und werden bei Übelkeit und Erbrechen bevorzugt. Ab dem 12. Lebensjahr ist Sumatriptan zugelassen. Bei chronischer Migräne mit häufigen oder alltagseinschränkenden Attacken kann eine Prophylaxe mit Magnesium, Betablockern oder bestimmten Antiepileptika erwogen werden. Stress, psychische und körperliche Belastungen als ursächliche Faktoren sind auch im Kindesalter nicht zu unterschätzen. Mithilfe eines Beschwerdetagebuchs lassen sich Triggerfaktoren und Vorboten besser identifizieren. Die beste Prophylaxe wird durch ausgewogene Ernährung, insbesondere das Einhalten von Nahrungspausen und den Verzicht auf Snacks, ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, begrenzten Medienkonsum, körperliche Bewegung an der frischen Luft, Entspannungsübungen und ausreichend Schlaf, erreicht. Balance als Schlüssel zur Schmerzfreiheit.

Bei plötzlich auftretenden, heftigsten Kopfschmerzen, Lähmungen, Nackensteifigkeit mit hohem Fieber oder starker Benommenheit kann eine schwerwiegende Ursache wie eine Blutung oder Infektion zugrunde liegen, daher sollte ein Arzt unmittelbar kontaktiert werden.
Weitere Informationen finden Sie bei auf den Webseiten der DMKG – Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.

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