Mangel- & Fehlernährungszustände
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, und gehört zu den schönsten Genüssen des Lebens. Die Nahrung soll neben dem Genuss den Menschen auch mit allem versorgen, was für die Erhaltung des Lebens notwendig ist.
Unter-, Fehl- und Mangelernährung (Malnutrition), Kau- und Schluckstörungen (Dysphagie) sowie Kombinationen davon stellen ein großes Problem bei alten, speziell den hochbetagten Patienten dar und bestimmen ihre Sterblichkeit wesentlich. Während weitgehend gesunde, selbstständig lebende Ältere vergleichsweise seltener Schluckstörungen und Fehlernährungen aufweisen, lässt sich bei Patienten in Krankenhäusern sowie bei Bewohnern in Pflegeheimen in bis zu 60% eine ausgeprägte Unter- bzw. Mangelernährung nachweisen. Gleichzeitig sind Aspirationen (umgangssprachlich auch als „Verschlucken“ bezeichnet, im schlimmsten Fall mit der Folge einer Lungenentzündung und Todesfolge behaftet) im Alter häufig.
Bei Patienten mit schwerer und anhaltender Dysphagie wird in Abhängigkeit von der Grundkrankheit und der Gesamtprognose ein Eingreifen erforderlich. Manchmal ist der Einsatz von Ernährungssonden, zumeist in Form einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG), erforderlich. Dies ist eine durch die Bauchwand in den Magen eingeführte Sonde. Ein besonderes ethisches und rechtliches Problem stellt die zunehmend häufigere Applikation von Ernährungssonden bei älteren Patienten mit fortgeschrittener Demenz dar. Das individuelle Befassen mit diesem Thema in früheren Jahren und Patientenverfügungen zur Willenserklärung sind hier hilfreich.
Ursachen von Schluckstörungen und Mangelernährung im Alter
Grob unterschieden wird nach primären und sekundären Ursachen. Unter Ersteren versteht man Schluckstörungen, die durch den physiologischen Alterungsprozess selbst hervorgerufen werden. Sekundäre sind alle durch Erkrankungen verursachten Schluckstörungen, wobei neurologische und vaskuläre Erkrankungen (z.B. Parkinson, Schlaganfall) überwiegen.
Feststellung von Unterernährung und Schluckstörungen
Wenngleich die Zusammensetzung (Fettgewebe, Muskulatur und Wasser) des menschlichen Körpers mit zunehmendem Alter eine typische Veränderung erfährt, sind sowohl der Broca-Index (Maß zur Berechnung des Normalgewichtes = Körpergröße in cm – 100 = Normalgewicht) als auch der bekanntere Body-Mass-Index (BMI = Körpergewicht kg/Körperhöhe m2) als menschliche Grundgrößen unverändert auch im Alter gültig. Offensichtlich wirkt ein mäßiges Übergewicht (BMI 24 bis 29) sogar lebensverlängernd. Zumindest haben Betagte mit einem BMI von 24 bis 29 eine signifikant höhere Lebenserwartung als Normal- oder gar Untergewichtige der gleichen Altersgruppe (National research council 1989).
Anerkannte, in Arztpraxen und Krankenhäusern gängige, biochemische Parameter, die ausgesprochen sensibel und mit hoher Sicherheit eine Unter- bzw. Mangelernährung (Malnutrition) anzeigen, sind das Serum-Albumin (ein wichtiges Blut-Eiweiß), die Lymphozytenzahl, Vitamin B12 und der Serum-Zink-Spiegel. Letzterer gilt in der Altersmedizin geradezu als Frühindikator für eine Mangelernährung. Weitere Möglichkeiten bieten Diagnosemethoden wie z.B. das umfangreiche Mini Nutritional Assessment (MNA) und der MNA-Testbogen. Letzter dient der Risikoabklärung und ist sowohl bei noch unabhängig zu Hause lebenden alten Menschen als auch bei älteren Krankenhauspatienten und Pflegeheimbewohnern einsetzbar.
Schluckstörungen selbst hingegen sind eine typische Domäne der logopädischen Diagnostik. Orientierend kann der Patient durch die Gabe von Flüssigkeiten und halbfesten bis festen Ernährungsbestandteilen entdeckt und analysiert werden. Damit wird jedoch eine stille Aspiration (silent aspiration) – ohne das typische Husten nach Verschlucken – längst nicht immer erfasst.
Therapie – für und wider von Sondenernährung
Grundsätzlich stehen sich zwei Verfahren der Behandlung dysphagischer Störungen gegenüber. Zum Einen die schlucktherapeutische Behandlung (behavioral therapy) mit dem Ziel der Vermeidung von Aspiration und Wiedererlernen des gestörten Schluckvorganges. In mehreren Studien konnte z.B. gezeigt werden, dass bei vielen Schlaganfallpatienten mit Schluckstörungen durch eine differenzierte und individuell angepasste Therapie eine komplette orale Ernährung unter erheblicher Zunahme der Lebensqualität wieder möglich war.
Zum Anderen die Applikation einer Ernährungssonde. Seit ihrer Einführung zur Ernährung von Kindern mit Schluckstörungen hat die Indikation sich deutlich in Richtung älterer, sogar dementer Patienten verlagert. Dabei ist bislang nicht bewiesen, dass die Ernährungssonde in jedem Fall Vorteile hinsichtlich Überleben aber auch der Aspirationsvermeidung bringt.